Die Teilnehmer:
Heiri Forrer
Guido Manser
Markus Fräfel
Peter Sonderegger
Bevor wir am Sonntagmittag zur diesjährigen Tourenwoche starteten, hatten wir eine hektische Vorgeschichte zu überstehen.
Die heftigen Niederschläge in der Vorwoche und die verschiedenen Lawinenunfälle im Bündnerland liessen Gedanken aufkommen,
ob es überhaupt möglich oder sinnvoll ist, die Tourenwoche im Hochtal Avers durchzuführen. Erst am Samstagmittag fiel der
positive Entscheid. So fuhren wir dann hoffnungsvoll nach Juf zum Gasthaus Edelweiss, das für eine Woche unser Quartier
sein sollte. Bittere Kälte empfing uns im höchstgelegenen, ganzjährig bewohnten Dorf (2126 m) Europas.
Natürlich besorgten wir uns zuerst Informationen über die aktuellen Wetter- und Schneeverhältnisse...und die konnten besser
gar nicht sein! Gelockert trafen wir darauf die Vorbereitungen für die erste Tour.
Am Montagmorgen, bei etwa 10 Minusgraden, fuhren wir mit dem Auto ein paar Kilometer talauswärts nach Pürt, dem
Ausgangspunkt unserer Einlauftour. Bei fast kitschigem Postkartenwetter bestiegen wir das Grosshorn (2781 m). Weil der Wind
an den vergangenen Tagen stark gewütet hatte, mussten wir beim Aufstieg hie und da den Schnee etwas suchen. Nach etwa
zweieinhalb Stunden erreichten wir das Tagesziel, wo der übliche 'Gipfelablauf' stattfinden konnte: Kleiderwechsel, Felle
abmontieren und im Rucksack verstauen, Panorama geniessen und erklären, etwas essen und Tee trinken, fotografieren, die
Abfahrt diskutieren und, was auch nicht fehlen durfte, die Gipfelweinflasche machte die Runde. Die Abfahrt danach
gestaltete sich viel besser als erwartet. Superlative wie 'sensationell' und 'traumhaft' waren zu hören und das war nicht
übertrieben, denn der Schnee in den windgeschützten Tälern entsprach fast den Traumvorstellungen jedes Tourenfahrers.
Somit war es nicht verwunderlich, dass Heiri und Guido nach der Rückkehr in Juf noch den Gasthaushang testen mussten.
Der Ausgangspunkt für die Dienstagstour war Juppa, das nächsttiefere Dorf unter Juf. Die Tour auf den Wissberg unternahmen
wir auf Empfehlung der Edelweiss-Wirtin. Von Juppa aus ging es zuerst durch das ewig-lange, flache Val Bergalga, bevor der
eigentliche Aufstieg begann. Gemäss Tourenführer sind zwei verschiedene Routen zum Wissberg möglich, wir wählten vermutlich
die ungünstigere der beiden. Trotzdem erreichten wir bei wiederum schönstem Wetter problemlos den Sascelpass, von dem aus
nach einer Steilhangtraversierung der Gipfelaufstieg beginnen würde. Leider blieb es beim 'würde', denn wir beurteilten den
Steilhang als zu unsicher und für den total vereisten Gipfelaufstieg hätten wir die Steigeisen benötigt, die wir aber in
Juf gelassen hatten! Dass wir uns mit einem kleinen Vorgipfel des Wissbergs begnügen mussten schadete unserer Moral
überhaupt nicht. Im Gegenteil, der Blick auf die gegenüberliegende Talseite mit dem Gletscherhorn gab uns viel Motivation
für die nächsten Tage. Nicht mehr ganz perfekt wie am Montag gestaltete sich die Abfahrt ins Val Bergalga, das uns noch
länger vorkam als es beim Aufstieg war. Etwas müde kamen wir gegen vier Uhr im Edelweiss an, die grossen
Temperaturunterschiede, die wir wegen der starken Sonneneinstrahlung tagsüber erlebten, gingen nicht ganz spurlos an uns
vorbei. Dementsprechend nutzten wir die Erholungsphase am Abend und tankten beim ausgezeichneten Abendessen genügend
Kalorien für den nächsten Tag.
Der Berg, den wir am Mittwoch in Angriff nahmen, hat auf der Karte keinen Namen. Insider wissen jedoch, dass er Piz
Surparä heisst und 3078 m hoch ist. Die erste Etappe führte uns von Juf aus zum Stallerberg, der aber nicht ein Berg
sondern ein Passübergang ist. Wiederum benötigten wir Sonnencreme und Sonnenbrille und im Südhangaufstieg zum Piz Surparä
wären kurzärmlige T-Shirts angebracht gewesen. Dank der ausgezeichneten Spurarbeit einer anderen Gruppe und Heiri als
perfekten Tempomacher erreichten wir den Gipfelsattel ohne besondere Anstrengungen. Die letzten Meter zum Gipfel gings zu
Fuss und da konnten wir endlich Guido's ersten 3000er feiern. Die kalte Bise liess jedoch keine lange Feier zu und zudem
waren wir ja zum Skifahren da. Wir entschieden, die guten Verhältnisse auszunutzen und nahmen dafür einen halbstündigen
Gegenaufstieg auf den Stallerberg in Kauf, was sich einstimmig gelohnt hatte. Der Schnee auf dem steilen Südwesthang nach
Juf hinunter hatte zwischenzeitlich unter der Sonne gelitten, unsere Schwünge waren teilweise nicht mehr als elegant zu
bezeichnen. Wiederum kehrten wir in guter Stimmung in unser Quartier zurück und freuten uns erneut über eine gelungene,
unfallfreie Skitour.
Unterschiedlich waren die Wetterprognosen für den Donnerstag, doch wir hatten Glück. Bei wiederum strahlendem Sonnenschein
konnten wir das Gletscherhorn in Angriff nehmen, nur einige Wolken am Himmel deuteten eine kommende Wetteränderung an.
Wiederum starteten wir im kleinen Averser Skizentrum Juppa, wo zwei Skilifte und gut präparierte Langlaufloipen zur
Verfügung stehen. Das sechs Kilometer lange Val Bergalga, das wir zuerst passieren mussten, kannten wir schon von der
Wissberg-Tour, doch diesesmal schien es uns nicht mehr so unendlich lange! Nach einem kurzen Halt beim Talende ging der
Aufstieg los zum 3107 m hohen Gletscherhorn. Auf einer gut angelegten und nicht zu steilen Spur kamen wir gut voran und
etwa auf halber Höhe machten wir die verdiente Znünipause. Zwei andere Gruppen wählten das gleiche Tagesziel, was
automatisch zu Vergleichen der Aufstiegstempi führte. Schneller als erwartet erreichten wir den Skidepotpass und vor uns
stand der imposante, gut 100 m hohe, vereiste Gipfelaufbau. Schnell war der Wechsel von den Skiern zu den Steigeisen
vollzogen, ein paar Fotos geschossen und bald darauf konnten wir uns auf dem Gipfel gratulieren. Bei verhältnissmässig
angenehmer Temperatur und fast Windstille machten wir es uns gemütlich, hatten wir doch Vorsprung auf unseren Zeitplan.
Der Abstieg bis zum Skidepot erwies sich als gute Übung fürs Steigeisengehen. Auf der langen Abfahrt hatten wir es mit
unterschiedlichen Schneearten zu tun, alles muss ja nicht immer perfekt sein. Dass wir zum viertenmal in dieser Woche durch
das Val Bergalga ziehen mussten, sei angesichts der erlebten Supertour nur an Rande erwähnt. In Juppa angekommen, strebten
wir ohne lange diskutieren zu müssen dem einzigen Restaurant des Dorfes entgegen, von dem aus wir noch einen Blick aufs
Gletscherhorn werfen konnten. In Juf angekommen, mussten wir uns mit der Abschlusstour befassen, denn der Donnerstagabend
war für uns der letzte Abend im Edelweiss. Eine Abschiedsparty gab es jedoch nicht, das Gletscherhorn hatte doch einige
Spuren hinterlassen. Dafür tankten wir beim kräftigen Abendessen mit Veltliner Säumerwy Energien für die letzte Tour.
Entgegen den Prognosen war am Freitagmorgen keine Wetteränderung in Sicht. Es war zwar nicht mehr so kalt und am Himmel
zeigten sich ein paar Wolken, für die geplante Tour auf den Piz Turba stand jedoch nichts im Wege. So gegen acht Uhr
marschierten wir in Juf Richtung Forcla da la Valetta und folgten einer Abfahrtsspur, in der Annahme, dass wir dadurch
einen Teil des extrem steilen Aufstiegs leichter überwinden könnten. Bald erwies sich das jedoch als eine Fehlentscheidung.
Unterhalb der Forcla angekommen, führte die Route über ein flaches Plateau, bis wir dann den eigentlichen Aufstieg zum
3018 m hohen Piz Turba erreichten. Nach etwa eineinhalb Stunden standen wir beim Skidepot auf dem Gipfelgrat, nachdem wir
noch eine vereiste Steilstufe überwinden mussten. Der Weg zu Fuss bis zum Gipfel war eine Angelegenheit von zehn Minuten.
Eine herrliche Aussicht ins Bergell, ins Engadin, nach Bivio und ins Aversertal entschädigte uns für die Mühen des
Aufstiegs. Mehr und mehr verdeckten nun die Wolken den Himmel und wir machten uns auf die Abfahrt in Richtung Septimerpass
mit dem Ziel Bivio. Wieder hatten wir Topverhältnisse, doch die langen flachen Stücke und die Gegensteigungen zehrten an
unseren Kräften. Bevor wir uns in Bivio mit den Skiliften auf den Mot Scalotta schleppen liessen, erlaubten wir uns im
Skiliftrestaurant eine willkommene Stärkung. Beim Hochfahren erlebten wir noch die letzten Sonnenstrahlen des Tages und
dann traf das ein, was wir die ganze Woche nicht kannten, nämlich Nebel und Schneefall. Von der Bergstation aus gab es
zuerst eine kleine Abfahrt, bevor wir den Aufstieg zu der uns schon bekannten Forcla unter die Felle nehmen konnten.
Zunehmend wurde die Sicht schlechter und wir beeilten uns, Juf so schnell wie möglich zu erreichen. Die Abfahrt von der
Forcla nach Juf zeigte uns, dass wir in den letzten Tagen richtig verwöhnt wurden und besonders ich hatte mit dem tiefen,
schweren Schnee meine liebe Mühe. Erleichtert trafen wir gegen vier Uhr in Juf ein und begannen unsere Siebensachen
zusammenzupacken. Das Wetter hatte uns die Entscheidung über einen eventuellen Verlängerungstag abgenommen. Auf der
Heimfahrt regnete es in Strömen, was uns jedoch die gute Laune nicht verderben konnte, denn wir schwelgten noch lange in
den Erinnerungen an die unvergesslichen Tage in Juf.
verfasst durch: Peter Sonderegger
Quelle: SCB-Infos Nr. 2/2001